Sind Betriebskostennachzahlungen bei Berechnung eines Mietrückstandes zu berücksichtigen?

1. Als wiederkehrende Leistung i.S.v. § 543 Abs. 2 S.1 Nr. 3 BGB ist die Nebenkostenzahlung nur dann anzusehen, wenn sie als Nebenkostenpauschale oder als Nebenkostenvorauszahlung zusammen mit der Miete zu den bestimmten Zinsterminen zu erbringen ist.
2. Das Recht zur fristlosen Kündigung des Mietvertrags steht dem Vermieter nur zu, wenn der Mieter an mehreren Zahlungsterminen mit der Zahlung der vereinbarten Miete in Verzug gekommen ist. Dabei sind Betriebskostennachzahlungen nicht einzurechnen, weil diese keine periodisch zu erbringende Mietrate sind, sondern erst nach jährlicher Abrechnung feststehen.

Landgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 29.12.2016, Aktenzeichen: 5 S 141/16

Sachverhalt: Der Vermieter kündigt seinem Wohnraummieter mit der Begründung, dass der Mieter sich mit Nachzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen und der Betriebskostenvorauszahlung für einen Monat in Verzug befände. Die Summe der Betriebskostennachzahlung  und -vorauszahlung übersteigt den Betrag von zwei Monatsmieten. Der Vermieter klagt in zwei Instanzen auf Räumung.

Entscheidung: Ohne Erfolg! Gemäß § 543 Abs.2 S.1 Nr.3 BGB kann der Vermieter fristlos kündigen, wenn der Mieter sich jedenfalls mit zwei Monatsmieten in Zahlungsrückstand befindet. Es ist jedoch noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob unter Mietzahlung i.S.d. § 543 BGB auch die Nachzahlung von Betriebskosten aufgrund einer Nebenkostenabrechnung zu verstehen ist. Der BGH hat diese Frage bisher offen gelassen (Urteil vom 23.09.1987, Aktenzeichen: VIII ZR 265/86 und Urteil vom 24.08.2016, Aktenzeichen: VIII ZR 261/15). Das Landgericht hat mit der herrschenden Meinung entschieden, dass Nachzahlungen von Betriebskosten aufgrund von Nebenkostenabrechnungen nicht unter § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB fallen, da die Nachzahlung nicht periodisch im Sinne einer monatlichen Mietzahlung zu erbringen sei. Die geschuldeten Nebenkosten stünden erst nach der jährlichen Abrechnung betragsmäßig fest und seien fällig, wenn dem Mieter eine ordnungsgemäße und nachprüfbare Abrechnung zugegangen und eine angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist verstrichen sei.

Praxishinweis: Der BGH hat bisher sehr uneinheitlich entschieden, ob die Nebenkostennachzahlungen zur Miete gehören oder nicht. Im Urteil vom 20.07.2016, Aktenzeichen: VIII ZR 263/14 hat der BGH zum Verjährungsrecht entschieden, dass zu der periodisch zu leistenden Miete nicht nur die Grundmiete, sondern auch die Vorauszahlungen auf die für das jeweilige Jahr zu erwartenden Betriebskosten zählen. Diesen Charakter als wiederkehrende Leistung verlören Betriebskostenzahlungen des Mieters indes nicht dadurch, dass sie als Saldo einer Betriebskostenjahresabrechnung verlangt werden, zumal auch die sich daraus ergebenden Zahlungen regelmäßig wiederkehrend zu erbringen seien, da der Vermieter über die Betriebskosten jährlich abzurechnen habe, § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB. Auf der anderen Seite hatte der VIII. Senat des BGH mit Beschluss vom 14.06.2016, Aktenzeichen: VIII ZR 291/15 wenige Wochen vorher zum Beschwerdewert entschieden, dass selbst die Betriebskostenvorauszahlungen nicht zum Entgelt für die Gebrauchsüberlassung gehören. Der XII. Senat des BGH hatte bei der Ermittlung der Beschwer jedoch die Bruttomiete in Ansatz gebracht (BGH, Beschl. v. 26.04.2006,Aktenzeichen: XII ZR 154/05. Die gegenteilige Auffassung widerspricht auch der Auffassung beider Mietsenate des Bundesgerichtshofes (BGH, Urt. v. 06.04.2005, Aktenzeichen: XII ZR 225/03; BGH, Urt. v. 20.07.2005, Aktenzeichen: VIII ZR 347/04), wonach die Minderung aus der Bruttomiete zu berechnen ist, weil die Betriebskostenvorauszahlungen zum Entgelt für die Gebrauchsüberlassung gehörten. In der Entscheidung hat der BGH die Gesamtjahresmiete als Jahresbetrag der Nettomiete zuzüglich der abgerechneten Betriebskosten abzüglich des in dem betreffenden Jahr insgesamt gerechtfertigten Minderungsbetrages definiert.

Die Rechtsprechung des BGH zu der Frage, was denn nun das Entgelt ist, das der Mieter für die Gebrauchsüberlassung zu zahlen hat, kann somit nur als uneinheitlich bezeichnet werden. Die Konsequenzen sind bei der Frage der Berechtigung einer Kündigung erheblich. Bis zu einer abweichenden höchstrichterlichen Entscheidung sollten Vermieter somit davon ausgehen, dass der Zahlungsverzug mit Betriebskostennachzahlungen nicht zu einer Kündigung gemäß § 543 Abs.2 S.1 Nr.3 BGB berechtigt.