Vermieter kann haften, wenn Mieter mit Fälschungen handelt!

1. Art. 11 Satz 3 Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ist dahin auszulegen, dass ein Mieter von Markthallen, der die verschiedenen in diesen Hallen befindlichen Verkaufsflächen an Händler untervermietet, von denen einige ihren Stand zum Verkauf von Fälschungen von Markenerzeugnissen nutzen, unter den Begriff der „Mittelsperso(n) …, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden“, im Sinn der genannten Bestimmung fällt.
2. Art. 11 Satz 3 Richtlinie 2004/48/EG ist dahin auszulegen, dass die Voraussetzungen, denen die an eine Mittelsperson, die eine Vermietungsdienstleistung von Verkaufsflächen in Markthallen anbietet, gerichtete gerichtliche Anordnung im Sinn dieser Bestimmung unterliegt, mit jenen identisch sind, die der EuGH im Urteil L’Oréal u.a. (EuZW 2011, 754) für gerichtliche Anordnungen gegenüber Mittelspersonen auf einem Online-Marktplatz aufgestellt hat.

EuGH, Urteil vom 07.07.2016, Aktenzeichen: Rs. C-494/15

Sachverhalt: Der Generalmieter und Betreiber eines so genannten Marktplatzes vermietet einzelne Mietflächen an Einzelhändler unter. Das Konzept der Markthalle besteht darin, dass die Einzelhändler auf ihrer jeweiligen Untermietfläche Verkaufsstände für unterschiedliche Waren betreiben. Der Untervermieter hat in den Untermietverträgen mit den Einzelhändlern ausdrücklich die Verpflichtung aufgenommen, dass die Einzelhändler die für den Handel einschlägigen Rechtsvorschriften einzuhalten haben und dass der Verkauf von Fälschungen ausdrücklich verboten ist. Für den Fall des Verstoßes sieht der Untermietvertrag die Sanktion der fristlosen Kündigung durch den Untervermieter vor. Gleichwohl haben die Einzelhändler in erheblichem Umfang Fälschungen verkauft. Einige Hersteller der angebotenen gefälschten Markenerzeugnisse versuchten, den Verkauf der Fälschungen unter Rückgriff auf die Richtlinie 2004/48 zu stoppen.
Art. 11 der Richtlinie 2004/48 lautet wie folgt: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Gerichte bei Feststellung einer Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums eine Anordnung gegen den Verletzer erlassen können, die ihm die weitere Verletzung des betreffenden Rechts untersagt. Sofern dies nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgesehen ist, werden im Falle einer Missachtung dieser Anordnung in geeigneten Fällen Zwangsgelder verhängt, um die Einhaltung der Anordnung zu gewährleisten. Unbeschadet des Artikels 8 Absatz 3 der Richtlinie 2001/29/EG stellen die Mitgliedstaaten ferner sicher, dass die Rechtsinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden.“

Entscheidung: Im Ergebnis qualifiziert der EuGH die Tätigkeit des Betreibers und Untervermieters des Marktplatzes, Flächen an Einzelhändler unterzuvermieten, als Dienstleistung, da der Dienstleistungsbegriff im europäischen Verständnis deutlich weiter ist, als der deutsche Dienstleistungsvertrag. Der Untervermieter sei zudem Mittelsperson im Sinne des Art. 11 Satz 3 Richtlinie 2004/48/EG, da die Einzelhändler nur durch seine Untervermietung die Möglichkeit erhalten würden, ihre Fälschungen zu verkaufen. Weiterhin bestätigt der EuGH, dass eine Mittelsperson, die einen physischen Marktplatz mit Verkaufsständen betreibt, so zu behandeln ist, wie der Betreiber eines Online-Marktplatzes. Daraus folgt, dass die zum Schutz von Markenherstellern gegenüber Online-Marktplätzen ergangenen Entscheidungen des EuGH entsprechend gelten.

Praxishinweis: Auch für die Vermieter in Deutschland besteht die Möglichkeit, dass sie in Anspruch genommen werden können, wenn ihre Mieter Fälschungen von Markenprodukten in den Mietflächen verkaufen. Wie die Entscheidung zeigt, schützt vor einer Inanspruchnahme auch nicht, dass der Verkauf von Fälschungen im Mietvertrag ausdrücklich als unzulässig vereinbart wurde. Vermieter sollten den Verkauf von Fälschungen im Mietvertrag ausdrücklich verbieten und bei etwaigen Verstößen mit allen rechtlichen Mitteln dagegen vorgehen bis hin zur außerordentlich fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses mit solchen Mietern.