Vereinbarung einer Empfangsvollmacht eines Mieters für die anderen Mieter im Mietvertrag ist unwirksam
1. Das Gesetz sieht vor, dass der Vermieter seine Erklärungen gegenüber allen Mietern abgeben muss. Eine Mietvertragsklausel, die es dem Vermieter erlaubt, rechtsgeschäftliche Erklärungen nur gegenüber einer Person abzugeben, auch wenn sie gegenüber mehreren Personen abzugeben wäre, ist unwirksam. Eine solche Gesamtwirkung für alle Mieter der Mietsache benachteiligt die übrigen Mieter unangemessen.
2. Mit einem Auszug aus dem Mietobjekt widerruft ein Mieter zumindest konkludent eine etwaige Empfangsvollmacht der anderen Mieter.
LG München I, Urteil vom 12.10.2016, Aktenzeichen: 14 S 6395/16
Sachverhalt: Ein Vermieter schloss mit drei Mietern eine Mietvertrag über eine Wohnung. Der Formularmietvertrag enthielt eine Regelung, in der die Mieter sich gegenseitig zum Empfang von Willenserklärungen bevollmächtigen. Einer der Mieter zog später aus der Wohnung aus, ohne zu kündigen; dies war dem Vermieter bekannt. Der Vermieter spricht zuletzt gegenüber nur einem Mieter schriftlich die Kündigung aus. Die Mieter wehren sich gegen die Kündigung.
Entscheidung: Das Landgericht entschied, dass die Kündigung unwirksam sei, da die Kündigungserklärung den Mietern insgesamt nicht ordnungsgemäß zugegangen sei. Grundsätzlich muss eine Kündigung gegenüber allen Erklärungsempfängern, d.h. gegenüber allen Mietern ausgesprochen werden. Der Mietvertrag enthalte zwar eine Regelung, wonach Willenserklärungen, die der Vermieter gegenüber einem Mieter abgegeben hat, auch gegenüber den anderern Mietern gelten sollen. Eine solche Klausel bedeute, dass insoweit eine Erklärungsfiktion geschaffen werde. Eine derartige Erklärungsfiktion benachteilige jedoch die weiteren Mieter unangemessen, da diese gegebenenfalls von einer entsprechenden Erklärung keine Kenntnis erlangten.
Eine solche Klausel sei jedenfalls in einem Formularmietvertrag – der als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) zu werten ist – unwirksam, da sie von dem Regelungsgehalt der gesetzlichen Bestimmungen abweiche. Auf die Unwirksamkeit der Klausel komme es vorliegend jedoch noch nicht einmal an, da der ausgezogene Mieter die Empfangsvollmacht in § 13 Abs. 2 des Mietvertrags mit seinem Auszug konkludent (d.h. durch schlüssiges Verhalten) widerrufen habe. Im Auszug, der dem Vermieter bekannt war, einen konkludenten Widerruf einer Vollmacht zu sehen, sei auch interessengerecht, da die Mietvertragspartei, die aus der bisher bestehenden Wohnung auszieht, in der Lage sein muss, sich über Erklärungen des Vermieters zu informieren. Dies könne sie mit der ausreichenden Sicherheit jedoch nur dann, wenn ihr die Erklärungen selbst zugehen. Entsprechend ist somit ein konkludenter Widerruf der Empfangsvollmacht zu bejahen. Da die Kündigung nicht gegenüber allen Mietern ausgesprochen und die Empfangsvollmacht widerrufen worden war, war die Kündigung unwirksam.
Praxishinweis: Eine Empfangsvollmacht eines Mieters für alle anderen Mieter ist – zumindest für den Empfang von Kündigungen – unwirksam, wenn sie in einem Formularmietvertrag des Vermieters vereinbart wird. Jedenfalls widerruft ein Mieter ungeachtet dessen eine etwaige Empfangsvollmacht konkludent mit seinem Auszug. Vermieter müssen daher stets sicherstellen, dass sie etwaige Kündigungen gegenüber allen Mietern erklären.


