Verjährungsfalle für Baubeteiligte
1. Der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB entsteht bereits in dem Augenblick, in dem die mehreren Ersatzpflichtigen dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, d.h. mit der Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis.
2. Für den Beginn der Verjährung ist es nicht erforderlich, dass der Ausgleichsanspruch beziffert werden bzw. Gegenstand einer Leistungsklage sein kann.
3. Für die Beurteilung der Frage, wann der Ausgleichsanspruch eines zum Schadensersatz verpflichteten Gesamtschuldners gegen den anderen im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB in Hinblick auf Schäden entstanden ist, die erst nach der Verwirklichung des haftungsbegründenden Tatbestands eingetreten sind, ist der Grundsatz der Schadenseinheit heranzuziehen.
BGH, Urteil vom 08.11.2016, Aktenzeichen: VI ZR 200/15
Sachverhalt: D erlitt im Juni 1993 einen Arbeitsunfall. Er wurde daraufhin zunächst von den Ärzten Dr. P. und Dr. S. behandlungsfehlerhaft versorgt. Daran knüpfte eine weitere fehlerhafte Behandlung der Beklagten zu 1 in dem von der Beklagten zu 2 betriebenen Krankenhaus am 22.11.1994 an. Die Haftpflichtversicherung der Ärzte Dr. P. und Dr. S. regulierte die dem D entstandenen Schäden aufgrund Verurteilung im Jahr 2001. Die Beklagten zu 1 und zu 2 wurden schließlich durch das Oberlandesgericht Hamm am 24.10.2007 verurteilt, der Haftpflichtversicherung 50 % der regulierten Schäden im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs zu ersetzen.
Neben den Zahlungen an D leistete die Haftpflichtversicherung der Ärzte Dr. P. und Dr. S. eine Zahlung in Höhe von 800.000,00 € an die zuständige Berufsgenossenschaft. Der Zahlung ging eine Einigung im Frühjahr 2012 voraus. Die Haftpflichtversicherung nimmt nun die Beklagten zu 1 und zu 2 wegen ihrer Zahlungen an die Berufsgenossenschaft für den Zeitraum ab 22.11.1994 auf Innenausgleich in Anspruch. Das Landgericht hat angenommen, dass die Haftpflichtversicherung von den Beklagten im Wege des Gesamtschuldnerregresses Ersatz der Hälfte der Zahlungen verlangen könne, die die Versicherung an die Berufsgenossenschaft zum Ausgleich derjenigen Aufwendungen geleistet habe, die diese für D ab 01.01.2009 getätigt habe. Ansprüche für die Zeit davor seien verjährt.
Entscheidung: Der Bundesgerichtshof urteilte, dass der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits mit der Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis entstehe. Er bestehe zunächst als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch und wandele sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch um. Es handele sich um einen einheitlichen Anspruch, der einer einheitlichen Verjährung unterliege und mit der Begründung der Gesamtschuld entstanden sei. Für den Beginn der Verjährung sei es nicht erforderlich, dass der Ausgleichsanspruch beziffert werden könne. Der Anspruch sei entstanden, sobald er geltend gemacht und notfalls im Wege der Feststellungsklage durchgesetzt werden könne.
Der Schadenseintritt bestimme sich bei mehreren Schadensfolgen für die Zwecke des Verjährungsrechts anhand des Grundsatzes der Schadenseinheit. Danach gelte der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit den einzelnen Schadensfolgen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte. Die Verjährung des Ersatzanspruchs erfasse auch solche nachträglich eintretenden Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren.
Der Grundsatz der Schadenseinheit sei auch für die Beurteilung der Frage heranzuziehen, wann der Ausgleichsanspruch eines Gesamtschuldners gegen den anderen in Hinblick auf Folgeschäden entstanden ist. Auch insoweit stelle sich der gesamte aus einer Vertragsverletzung entspringende Schaden als Einheit dar. Daher entstehe der Ausgleichsanspruch als einheitlicher Anspruch bereits in dem Augenblick, in dem die für denselben Schaden verantwortlichen Ersatzpflichtigen dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, also regelmäßig im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses.
Nach diesen Grundsätzen sei der Ausgleichsanspruch der Gesamtschuldner im Innenverhältnis bereits im November 1994 (insgesamt) entstanden.
Praxishinweis: Innenausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern haben auch im Verhältnis zwischen den am Bau Beteiligten erhebliche Relevanz, wenn dem Auftraggeber wegen Mängeln am Bauwerk Ansprüche gegen mehrere Verursacher zustehen. Die Verjährung unterliegt, anders als Gewährleistungsfristen, der kurzen Verjährungsfrist von 3 Jahren. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist zunächst die Entstehung des Innenausgleichsanspruchs. Nach den Grundsätzen der Schadenseinheit entsteht der Innenausgleichsanspruch hinsichtlich aller Schäden, die etwa auf Mängel zurückzuführen sind, bereits mit der mangelhaften Leistung, sofern diese Schäden vorhersehbar waren. Dies gilt unabhängig davon, ob als möglich vorhergesehene Folgeschäden bereits in Erscheinung getreten sind oder ob der Aufraggeber überhaupt schon Mängelrechte wegen dieses Mangels geltend gemacht hat. Dies kann dazu führen, dass Innenausgleichsansprüche bereits verjährt sind, bevor einzelne Folgeschäden überhaupt zu Tage getreten oder vom Auftraggeber geltend gemacht worden sind. Weiter ist für den Verjährungsbeginn die Kenntnis von allen Umständen, die einen Innenausgleichsanspruch begründen, erforderlich. Diese Kenntnis kann bereits dann vorliegen, wenn sich ein Mangel erstmals zeigt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 18.06.2009, Aktenzeichen: VII ZR 167/08). Sowohl Planern als auch ausführenden Unternehmern ist dringend zu raten, etwaige Innenausgleichsansprüche gegen andere am Bau Beteiligte bei jedem Hervortreten von Mängeln zu prüfen und gegebenenfalls verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten. Wird hiermit bis zu dem Ergebnis eines etwaigen Rechtsstreits wegen Mängeln mit dem Auftraggeber zugewartet, besteht ein erhebliches Verjährungsrisiko bezüglich der Ausgleichsansprüche. Zumindest sollten bei Rechtsstreitigkeiten umfassende Streitverkündungen als verjährungshemmende Maßnahme erfolgen. Die Anwendung der Grundsätze zur Schadenseinheit für den Verjährungsbeginn von Ausgleichsansprüchen kann zu bizarren Situationen führen. So können die am Bau Beteiligen Planer und ausführenden Unternehmer etwa gezwungen sein, verjährungshemmende Maßnahmen hinsichtlich etwaiger Innenausgleichsansprüche auch bezüglich solcher Folgeschäden einzuleiten, die zwar möglich erscheinen aber noch gar nicht zu Tage getreten sind. Weiter könnten verjährungshemmende Maßnahmen bereits angezeigt sein, obwohl der Auftraggeber einzelne Mängel noch gar nicht gerügt hat.